Dr. Hans-Diether Dörfler (HDD) und Ralf Birke (RB) sitzen Ende der 2000er-Jahre in einem Erlanger Café und überlegen, wie man die langjährige Freundschaft durch Zusammenarbeit vertiefen könne. Historiker im Haus der Geschichte (HdG) in Bonn der eine, Journalist und Kommunikationsberater der andere. Wo könnten da Berührungspunkte sein?
RB: „So fühlt sich meine Erinnerung an: Wir diskutierten 2008 in einem kleinen Café am Marktplatz in Erlangen, auf dem Markt wurden in der Abendsonne die Schirme zusammengeklappt. Es war eine Stimmung berührend wie ein Museumsbummel und dank des Erlanger Storchenbiers wurde es zu einem lustigen Abend. In dieser Mußestunde gedieh die Idee, bei Birke und Partner eine neue Abteilung zu gründen. Das Neugeborene sollte sich mit History Marketing beschäftigen. Dafür legten wir zusammen, was jeder von uns am besten kann. Die Beschäftigung damit ergab eine lustvolle Vision: professionelle Kommunikation und fundierte historische Expertise zusammenbringen.“
HDD: „So kann sich nur ein Geschichtenerzähler erinnern. An Quellen überprüfen lässt sich das nicht. Also: fast nicht. Im Café war schon eine Weichenstellung, aber in einem anderen Café. Meiner Meinung nach hat das zündende Gespräch im Herbst 2007 in dem Café in unserem Agenturgebäude stattgefunden. Da war ich noch in Bonn im HdG und du hast gleich über die Idee, Geschichte wirtschaftlich zu nutzen, mit mir gesprochen. Das sah ich aus meiner Zeit als Vorstand von Geschichte für Alle e. V. Nürnberg, wo wir ja faktisch als Geschichtsbüro gearbeitet haben, als kein Problem an. Vielmehr als Professionalisierungsschritt der Herangehensweise kombiniert mit Grafik- und Textabteilung. Du hast zunächst noch voll in den Kategorien Buch, Jubiläum, Website und Werbematerialen rund ums Jubiläum gedacht.“
Wie vielen Ideen, die an wackligen Kaffeehaustischen entstehen, geht es der Idee von Hans-Diether Dörfler und Ralf Birke nicht. Dieser Geistesblitz hat auch am nächsten Tag noch seine volle Energie. Dass er gleich voll einschlägt, kann man allerdings nicht behaupten.
RB: „Der Begriff History Marketing erwies sich als Orchidee im Strauß der Kommunikationsdisziplinen. Wie das mit sensiblen Pflanzen nun mal so ist: schön, aber anspruchsvoll in der Pflege. Bisweilen auch ein bisschen zickig. Und sind Orchideen nicht eher 1970er? Immerhin drehte sich in den 2010er-Jahren alles um die digitalen Formen von Marketing und Kommunikation. Die Goldgräber haben nach Nullen und Einsen gegraben: ‚Sich bei so vielen herausfordernden Zukunftsthemen mit der Geschichte von Unternehmen beschäftigen? Also ehrlich …‘“
In intensiven Diskussionen beackern die beiden das neue Feld. Ein freundschaftlicher, letztlich konstruktiver Diskurs, der zur Definition von History Marketing führt. Vor allem aber auch ein Prozess, der geschichtswissenschaftliche Methodik und kommunikative Expertise als Leistung für Kunden sichtbar und damit nutzbar macht.
RB: „Der Umgang mit Geschichte ist nun mal – gerade bei Unternehmen – eine sensible Sache. Es gibt keine Blaupausen, dafür Schlaglöcher und Untiefen. In einer Zeit, in der Botschaften immer kürzer werden, bleibt die Geschichte eines Unternehmens eine erklärungsbedürftige Angelegenheit. Allerdings wartet nach dem etwas mühsamen Aufarbeiten und Erklären ein weites Feld aus Menschen, Storys und ehrlichen, authentischen Emotionen rund um die Marke. Der Weg lohnt sich. Das wissen wir heute. Doch damals ließ der Begriff History Marketing die Kommunikationschefinnen und -chefs zunächst fragend und erst zögerlich wirklich neugierig werden. Wie oft kämpften wir für unsere Überzeugung in Präsentationen.“
HDD: „Unsere Controllerin Sabine Birke war es, die, indem sie auf einen Verkaufswert für Denk- und Arbeitsleistung bestanden hat, überhaupt erst ein unternehmerisch darstellbares Produkt mit uns zusammen erarbeitete. Unseren potenziellen Kunden war das Feld nahezu unbekannt und neu.“
Viele werden das Gefühl kennen, wenn sie heute für eine Geschäftsidee eine passende Domain suchen: Alles schon weg. Kaum zu glauben: „history-marketing.de“ ist 2008 noch frei. Ein weiteres Indiz, dass Birke und Partner als Pionier viel Überzeugungsarbeit vor sich hat.
RB: „History Marketing ist die Chance, die eigene Geschichte kommunikativ zu nutzen. Dabei spielt Storytelling eine zentrale Rolle. Den entscheidenden Unterschied für den nachhaltigen Erfolg macht ein mit geschichtswissenschaftlichen Methoden erarbeitetes Fundament, das von Historikerinnen und Historikern gelegt wird. Geschichte ist ein wichtiger Teil des Kitts, der das große Bild eines Unternehmens oder einer Organisation zusammenhält. Sie gehört in den kommunikativen Alltag, in die Mitte von Strategien und Konzepten, in Narrative und virale Erzählungen. Was wir damals nicht ahnten: Fakten kommen im Fake-News-Zeitalter immer mehr unter die Räder. Die Idee aus dem Café ist darum aktueller denn je.“
Das war die Entwicklung einer wirklich neuartigen Methodik, die bis heute für die Agentur ein Alleinstellungsmerkmal mindestens in der DACH-Region bedeutet.
HDD: „Das klingt jetzt wie eine stringente Erzählung, aber es war ein Prozess. Mir ist neben dem Gespräch im Café vor allem eine Szene in Erinnerung geblieben: Als du im Oktober 2008 mit einem Stapel Bücher zu Unternehmen in mein Büro gekommen bist, den auf meinen Schreibtisch plumpsen hast lassen und dann angekündigt hast, dass das die Zukunft der Agentur sei, nämlich die Geschichte von Unternehmen zu schreiben, und wir hierfür eine eigene Unit aufbauen würden. Unsere ersten Projekte in der Anfangsphase 2008/2009 zielten noch nicht wirklich auf Marke und DNA. Um den Markengedanken erweitert war erst die enge Zusammenarbeit mit unseren Pionierkunden. Und mit diesen haben wir methodisch auch einen neuen, anderen Weg als die klassischen Geschichtsbüros eingeschlagen. Das waren intensivste Diskussionen! Ihr habt mich hier ziemlich bearbeitet, letztlich aber überzeugt, zum Beispiel Publikationen und Ausstellungen rund um Markenwerte zu entwickeln und beispielhaft in Storys und Objekten zu verdichten. Über Marke und Markenwerte diskutierten wir damals auch öfter im Café am Erlanger Marktplatz. Hier ist vermutlich die Erinnerung bei dir verknüpft. Das war die Entwicklung einer wirklich neuartigen Methodik, die bis heute für die Agentur ein Alleinstellungsmerkmal mindestens in der DACH-Region bedeutet.“
RB: „Was man unter ‚History Marketing‘ versteht, wird sich in den nächsten Jahren sicher diversifizieren. Forschung, Kommunikation, Recruiting, Markenarbeit – es wird nicht einfach werden, begrifflich alles unter einen Hut zu bringen, wenn Marketer und Kommunikationsverantwortliche die wirklichen Potenziale einmal entdeckt haben. Fundierte, quellenbasierte Geschichtsarbeit als fester Bestandteil von Heritage Management ist dabei alternativlos.“
Hans-Diether Dörfler lebt heute in Weimar und steht der Agentur als Seniorberater zur Seite, Ralf Birke hat die Agentur einem neuen Führungsteam übergeben. Alles in der Beschäftigung mit Unternehmensgeschichte Gelernte kommt ihm beim Suchen und Finden der eigenen Zukunftsperspektive im Changeprozess zugute.
Heute führen Michael Bantele und Fabian Birke die Agentur Birke und Partner, die seit 2022 Mitglied im GWA (Verband der führenden Kommunikationsagenturen Deutschlands) ist. Die Einbindung der Funktionen klassischer Geschichtsbüros in eine etablierte Kommunikationsagentur, die für kleinere und mittlere Unternehmen sowie für global renommierte Marken 360-Grad-Projekte umsetzt, hat Erfolg. History Marketing ist bei vielen Unternehmen, die diese Disziplin mit Unterstützung von Birke und Partner bereits anwenden, zum festen Bestandteil der Kommunikation und Markenführung geworden.
Dieser Text stammt aus unserem Lookbook „celebrating history“.
Gegründet wird Birke und Partner 1993 von Ralf und Sabine Birke. Seitdem haben wir uns immer wieder neu erfunden. Werte, Haltung und Tiefgang aber sind fest in unserer DNA verankert. In sechs Kapiteln erzählen wir eine ganz besondere Geschichte. Unsere eigene. Warum wir wurden, wer wir sind.