Storys von oder für Social Media?

Seit Jahren werden die neuen Medien gehyped und noch länger wird den klassischen Tageszeitungen ein bitteres Ende prophezeit. Weltweit fungieren Social-Media-Kanäle laut Digital News Report immer mehr als Nachrichtenquelle, die Zielgruppenansprache erfolgt inzwischen hauptsächlich über das Smartphone. Nur, was bedeutet das für uns Kommunikatoren? Wie gelingt es, sich von der Masse an Anbietern abzuheben, und wie stark dürfen und müssen wir uns von Trends beeinflussen lassen? Wir haben bei einem Medium nachgefragt, das im ersten Moment eher analog daherkommt. Oder doch nicht? Zu Besuch bei den Nürnberger Nachrichten.

von Katharina Raab

9. März 2020

In unserem Agenturalltag werden wir ständig mit dem digitalen Konkurrenzkampf konfrontiert: Nur, wer sich aus der Masse abhebt, bekommt die Klicks. Und es geht nicht nur uns so. Auch andere Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und Medienhäuser, mit denen wir in engem Kontakt stehen, werden gefordert. Wie sehr dürfen und müssen wir, die wir unsere Zielgruppen weiterhin ansprechen wollen, uns durch Klickverhalten, Social-Media-Trends und Influencer, ja, beeinflussen lassen?

Manche sehen den digitalen (und sozialen) Wandel als Herausforderung, manche als Chance. Uns allen gemein ist, dass wir einen Weg finden müssen, der es uns ermöglicht, jene zu erreichen, die wir erreichen wollen. Wie einer dieser Wege aussehen kann, zeigt uns Andreas Franke, Leiter der Lokalredaktion der Nürnberger Nachrichten (NN), als er uns Einblick in den Alltag einer der größten Regionalzeitungen Deutschlands gewährt.

„Die Menschen wollen qualitative Storys, denen sie vertrauen können.“

Schon im Foyer des Verlagshauses der Nürnberger Nachrichten und der Nürnberger Zeitung (NZ) treffen Vergangenheit und Moderne aufeinander: Eine alte Setzmaschine steht darin, daneben gläserne Einlassschranken und ein moderner Empfangstresen. „Würde man einen unserer Jung-Redakteure vor die Maschine setzen, würde keiner von ihnen wissen, was er damit anfangen soll“, schmunzelt Andreas Franke, während er mit uns das gelbgestrichene Treppenhaus hinaufgeht. Es ist ein schönes, auch beruhigendes Bild, das er mit dieser Aussage auftut: Auch in Zeiten der Digitalisierung steht die Kommunikation auf der Basis des fundierten Handwerks.

Denn Content zählt immer noch.

Das sieht auch Andreas Franke so. „Die Menschen wollen qualitative Storys, denen sie vertrauen können“, sagt er. „Was sich geändert hat, ist die Ansprache.“ Und sicherlich auch die Bindung der Leser an ein bestimmtes Medium. Durch das schier grenzenlose Medienangebot ist der User schneller bereit, zu einem anderen Medium zu wechseln. Deshalb sind die wenigen Sekunden so wichtig, in denen sich der Leser entscheidet, das eigene Angebot oder das eines anderen Anbieters wahrzunehmen. „Lag die Entscheidungsdauer der Menschen, ob sie ein Video anschauen, früher noch bei sechs Sekunden, liegt sie heute bei zwei“, weiß Andreas Franke. „Deshalb muss man den User schon alleine durch die Headline überzeugen, den Artikel oder das Video aufzurufen.“ Gleiches gilt für die Pressearbeit. Guter Content, knackige Headline. Eigentlich das Redakteurs-ABC. So viel ist im Vergleich zu früher unverändert geblieben. Jedenfalls was den reinen Content anbelangt.

Der Prozess der Themenfindung hingegen hat sich grundlegend verändert. Trends und Leservorlieben lassen sich inzwischen ablesen, gar vorhersagen. Natürlich befeuert dies einerseits die Schnelllebigkeit einiger Inhalte, andererseits werden die Inhalte passgenauer, persönlicher auf die Zielgruppe zugeschnitten. So nutzen auch die Redakteure der NN und NZ digitale Tools, mit denen sie das Klick- und Leseverhalten ihrer User auf ihrem Onlineauftritt nordbayern.de verfolgen. In einer Redaktionskonferenz, in der sich Online- und Printredakteure treffen, werden daraus Schlüsse gezogen: Was funktioniert bei ihrer Zielgruppe, was nicht? Welche Inhalte generieren die größte Reichweite? Und welche Inhalte erwarten die Leser von ihrer Zeitung? Bei der Themenfindung wird auf Klicks geachtet, doch ebenso auf Profilschärfe und Qualität. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, Kompetenz und Erfahrung. Am Ende ist es die Redaktion, die entscheidet. Und eben nicht das Analysetool.

Das ist es wohl auch, das etablierte Medienhäuser und passionierte Storyteller im Feed auf dem Smartphone von der Masse abhebt: Es ist nicht allein die reißerische Headline oder das bunteste Video. Es ist die qualitative Arbeit. Das Handwerk und die Gabe, wirklich gute Geschichten zu erzählen. Nur so lässt sich das Vertrauen der User dauerhaft gewinnen.

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