Essay

Eine unserer Unternehmensgeschichten

Wie aus einem Besuch im Caféhaus die heute führende Kommunikationsagentur für History Marketing wurde – und warum es diese kleine Geschichte noch nicht in den Genpool von bup schaffen konnte
Aufgeschrieben von Ralf Birke
8. März 2024
Nimm dir 8 Minuten Zeit für die Lektüre

Hans-Diether Dörfler und Ralf Birke sitzen im Jahr 2010 in einem kleinen Café am ziemlich schönen Erlanger Marktplatz und diskutieren darüber, wie man die langjährige Freundschaft durch Zusammenarbeit vertiefen könne. Historiker am Haus der Geschichte in Bonn der eine, Journalist und Kommunikationsberater der andere. Wo könnten da Berührungspunkte sein?

Auf dem Markt vor dem Caféhausfenster werden im versöhnlichen Licht der Abendsonne die Schirme zusammengeklappt, Kisten verstaut und Stammkunden Übriggebliebenes mit kleinem Schaden in hoffnungsvoll geöffnete Taschen gelegt. Eine Stimmung, inspirierend wie ein Museumsbummel und dank des wirklich guten Erlanger Storchenbiers ein wohliger Spätnachmittagtraum.

Es brauchte einen dieser Nachmittage, an denen auf zwei Capuccinos übergangslos die ersten Biere folgen.

Auf dem Markt vor dem Caféhausfenster werden im versöhnlichen Licht der Abendsonne die Schirme zusammengeklappt, Kisten verstaut und Stammkunden Übriggebliebenes mit kleinem Schaden in hoffnungsvoll geöffnete Taschen gelegt. Eine Stimmung, inspirierend wie ein Museumsbummel und dank des wirklich guten Erlanger Storchenbiers ein wohliger Spätnachmittagtraum.

Ja, in dieser Mußestunde wird die Idee geboren, bei Birke und Partner eine neue Abteilung zu gründen, die sich mit „History Marketing“ beschäftigen sollte. Dörfler und Birke legen zusammen, was sie am besten können. Es wird noch ein lustiger Abend und eine lustvolle Vision: Kommunikation mit fundierter historischer Expertise verbinden. Storytelling ist in diesem Moment noch kein Buzzword.

Der Begriff History Marketing erweist sich schnell als Orchidee im Strauß der Kommunikationsdisziplinen. Wie das mit sensiblen Pflanzen nun mal so ist: schön, aber anspruchsvoll in der Pflege. Bisweilen auch ein bisschen zickig. Und sind Orchideen nicht eher 1970er? Immerhin drehte sich in den 2010er-Jahren alles um die digitalen Formen von Marketing und Kommunikation. Sich bei soviel herausfordernden Zukunftsthemen mit der Geschichte von Unter-nehmen beschäftigen? Also ehrlich ...

History Marketing erweist sich schnell als Orchidee im Strauß der Kommunikationsdisziplinen.

Alles in allem wird dieses bedeutende Feld für blühende Marken seinerzeit nur zögerlich beackert. (Spoiler in die Gegenwart: Daran hat sich prinzipiell nur wenig geändert, es wird nur mehr darüber geredet). Geschichtsbüros pflügen verstärkt durch die Archive, das schon. Und ihnen ist es auch zu verdanken, dass das Geschäftsfeld für den Umgang mit Unternehmensgeschichte nicht aus dem Blickfeld gerät. Doch kaum jemand publiziert in der ersten Dekade der 0-er-Jahre zum Thema (dazu eine Liste am Ende dieses Buchs). Alexander Schugs Leitfaden „zum Umgang mit Geschichte in Unternehmen“ (2003, 2013) muss in der Rückschau als ziemlich ambitioniert betrachtet wer-den.

Viele werden das Gefühl kennen, wenn sie für eine Geschäftsidee eine passende Domain suchen. Kaum zu glauben: history-marketing.de war 2010 noch frei. Ein weiteres Indiz, dass Pioniere wie Birke und Partner ein weites Feld und viel Überzeugungsarbeit vor sich hatten.

Wir wären wenig überzeugt von unserer Orchidee, würden wir nicht unser Jubiläumsjahr zu einer ambitionierten Zäsur nutzen, um nachzusehen, welche Blüten sie seither trieb. Kurz: Was ist aus dem Caféhausbesuch von Hans-Diether und Ralf geworden?

Ebenso kurze Antwort und pfeilschnell 14 Jahre vorgespult: Als heute hochspezialisierte Kommunikationsagentur haben wir es als Erste geschafft, vom GWA in den Kreis der führenden Agenturen Deutschlands aufgenommen zu werden. Das war im Sommer 2023.

Nach unserer Überzeugung ist die Geschichte eines Unternehmens oder einer Organisation der Generalschlüssel zur Marke. Oft wird von dna im Zusammenhang mit den Archiven gesprochen. Das mag Assoziationen erzeugen und Emotionen auslösen. Aber wenig ist so träge und gleichzeitig flexibel in seinem Veränderungsmodus wie die Genetik eines Organismus.

Zusammengehalten wird das Gerüst der Marke von „Werten“, auf die man stolz ist, die es zu wahren und hochzuhalten gelte. Allerdings lässt das außer Acht, dass sich „Werte“ schnell ändern und heutige Generationen sehr wohl eine eigene positive und gerechte Einstellung davon entwickeln.

Kurzum: Wer ein Jubiläum feiert, hat viele Chancen, dies im besten Sinne zu nutzen. Nur: Die Rückschau ist dafür nur die Leinwand, auf die Aktuelles und Künftiges projeziert werden sollte. Umso wichtiger ist es, den Blick zurück auf Basis von Fakten zu ergründen und in jeder Hinsicht die Erkenntnisse mit klarer historischer Expertise zu justieren.

Von dieser anspruchsvollen Tätigkeit ist unsere Arbeit geprägt. Wir verklären Geschichte nicht in „Mehrwerte“, sondern werben für und mit Reisen durch das Meer der Zeit. Zu pathetisch? Nun, in der Vermittlung des beschriebenen Vorgangs spielt Storytelling die zentrale Rolle. Ebenso mit klarer Expertise angewendet wie das faktische, authentische Fundament gelegt wurde, gibt es kaum etwas wirkungsvolleres.

Denn Geschichte gehört nicht den Historikern, sie sind aber ihr Gewissen. Geschichte gehört in den kommunikativen Alltag, in die Mitte von Strategien und Konzepten, in Narrative und virale Erzählungen. Geschichte ist der Kitt, der das große Bild eines Unternehmens zusammenhält.

Vor diesem Hintergrund gibt auch der Begriff dna wieder etwas her: Denn deutlich schneller als unser Genpool verändern sich die Bedingungen, in denen wir existieren. Was wiederum auf Unternehmen in diesen Zeiten epochalen Wandels ganz besonders zutrifft. „Die rund 25.000 Gene des Menschen verändern sich im Laufe des Lebens kaum“, sagt Christian Gieger vom Helmholtz-Institut in München, „ihre Umgebung hingegen schon. Das sogenannte Epigenom, also alles, was auf und rund um die Gene geschieht, kann durch unseren Lebensstil beeinflusst werden. Es wird also nicht die dna verändert, sondern ihre Wirkweise.“

Resilienz ist das Beweisstück Nr. 1 für die Bedeutung der Geschichte eines Unternehmens. Oder ist es umgekehrt?

Gibt es also überhaupt eine Rechtfertigung für Analogien, dann die Tatsache, dass ein Unternehmen seine über Dekaden entwickelten Stärken, die Häutun-gen durch permanenten Wandel und Anpassung, die vielen Niederlagen und die gefeierten Erfolge nicht ignorieren kann. Aus diesem Stoff ist die Seele einer Marke gemacht. Resilienz ist das Beweisstück Nr. 1 für die Bedeutung der Geschichte eines Unternehmens. Oder ist es umgekehrt?

Jetzt werden viele sagen, dass „Markenprozesse“ doch immer wieder dafür sorgen, dass man sich „neu erfindet“, „anpasst“, „Kundenwünsche antizipiert“ und was nicht noch alles die teuren Workshop-Baukästen versprechen. Stimmt schon. Nur, die Summe all dieser Bemühungen ist eben: Geschichte.

History Marketing ist derzeit der gängigste Begriff, um das Feld zu beschreiben. Er wird sich in den nächsten Jahren ganz sicher diversifizieren. Forschung, Kommunikation, Recruiting, Markenarbeit – es wird nicht einfach werden, begrifflich alles unter einen Hut zu bringen, wenn Marketer und Kommunika-tionsverantwortliche die wirklichen Potenziale einmal entdeckt haben und der Diskurs mit Historikern so richtig in Fahrt kommt.

Fundierte Geschichtsarbeit als festem Bestandteil von History Communication ist alternativlos. Alles andere wäre Corporate Folklore! Das mit den bunten Luftballons mit runden Zahlen drauf, Lobreden und austauschbare Imagefilmen. Es sind nun mal die Ecken und Kanten, die Niederlagen und echten Erfolge, die einem Unternehmen oder einer Organisation wirklich Profil und Zukunftsperspektive geben.

Womit wir wieder am Anfang der Geschichte und damit mittendrin wären. Als die beiden Pioniere die Biere aus den Gliedern geschüttelt hatten, warteten dicke Bretter. Zuvorderst das Controlling der Agentur, das die wirtschaftlichen Perspektiven der Idee nur ziemlich unscharf erkennen mochte. Verständlich.

Und dann war „der Markt“. Der Begriff History Marketing ließ die Kommunikationschefs und -chefinnen zuerst fragend und dann neugierig werden. Budgets kommen entsprechend zögerlich und sind – leider oft genug auch heute noch – dem Erstellen einer „Chronik“ oder Jubelfeiern gewidmet. Hans-Diether Dörfler lebt heute in Weimar und steht der Agentur als temporär Seniorberater zur Seite, Ralf Birke sucht sein Glück in der Transformation der Agentur und hat es in einem wunderbaren Führungstermin bereits gefunden. Alles in der Beschäftigung mit Unternehmensgeschichte Gelernte, kommt ihm bei beidem zugute.

Den Fensterplatz im Caféhaus gibt es immer noch. Die Besitzer haben gewechselt, aber der Charme des Ortes ist geblieben. Vielleicht wird heute mehr Sprizz geordert als naturtrübes Bier vom Brauer aus der Altstadt. Lass uns für einen späten Nachmittag dort wieder treffen, Hans-Diether! Geschichte ist schließlich immer.

Begleitende Links zum Text
Helmholtz: Speckröllchen verändern das Erbgut

Mehr zum Thema auf unserer Webseite
https://birke.de/storys/history/

Diese Geschichte teilen